Der Uranus und die Sonnenfinsternis im Periodensystem
Das Periodensystem der Elemente. Alle im Artikel erwähnten Elemente sind markiert.
(Grafik: Kosmos Verlag/Gerhard Weiland)
Wer das Periodensystem der Elemente sieht, denkt dabei nicht automatisch an Astronomie. Und doch lässt sich anhand der Namen einiges an Astronomie ablesen. Wir entdecken: Eisriesen, Zwergplaneten und Asteroiden. Und eine Sonnenfinsternis.
Im Jahre 1789 berichtet Martin Heinrich Klaproth von seiner neusten Entdeckung: Nach einigen Untersuchungen hat er eine neue Substanz entdeckt, die er „Uranit“ nennt. Tatsächlich ist in dem Stoff das Element Uran enthalten, das er „nach dem Beyspiel der alten Philosophen, von einem Planeten, nehmlich von dem jüngstentdeckten, dem Uranus“ entlehnt. Doch was ist mit dieser alten Tradition gemeint? Warum benennt Klaproth sein Fundstück nach einem Planeten, der erst seit acht Jahren bekannt ist?
Spätestens in der mittelalterlichen Alchemie hatte es sich eingebürgert, die damals bekannten Metalle mit Himmelskörpern zu identifizieren. Zwischen beidem wurden Zusammenhänge und Wechselwirkungen angenommen. Die Sonne gleichte dem Gold, der Mond entsprechend dem Silber. Meistens stand Merkur für Quecksilber, Venus für Kupfer und Mars für Eisen. Von den äußeren Planeten wurde Jupiter mit Zinn und Saturn mit Blei identifiziert. So sprach man bei einer Bleivergiftung in vergangenen Zeiten auch von Saturnismus. Heutzutage sieht man den Zusammenhang noch beim Element Quecksilber, das im Englischen meist mercury, manchmal auch quicksilver heißt. Möglicherweise steht hier der schnelle Götterbote für das „quicklebendige, schnelle Silber“ – als einziges Metall ist es bei Raumtemperatur im flüssigen Zustand.
An diese Tradition knüpft Klaproth nun an, wenn er seine Entdeckung nach Uranus benennt. Doch damit nicht genug: 1798 benennt er das von Franz Joseph Müller von Reichenstein gefundene Tellur aus dem Lateinischen nach „der alten Mutter Erde“. 1803 entdeckt er schließlich einen Stoff, den er Ochroit nennt – zeitgleich und unabhängig finden ihn auch seine schwedischen Chemikerkollegen Jöns Jakob Berzelius und Wilhelm von Hisinger, die das Element letztlich Cerium (heute: Cer) nennen. Im selben Jahr findet William Hyde Wollaston das Palladium. Namenspatinnen sind Objekte im Asteroidengürtel, nämlich der Zwergplanet (1) Ceres beziehungsweise der Asteroid (2) Pallas, die zu diesem Zeitpunkt frisch entdeckt sind (1801 bzw. 1802) und noch selbstverständlich zu den Planeten gezählt werden. 1818 entdeckt Berzelius dann noch das Selen. Er erkennt Ähnlichkeiten zum Tellur und benennt es daher nach Selene, der Mondgöttin.
Im Sonnendunkel
Die Sonnenfinsternis von 1868 half bei der Entdeckung eines Elements. Diese hier allerdings nicht: Das Foto stammt vom 8. April 2024.
(Foto: NASA/Keegan Barber)
Um ein Haar hätten es auch Aldebaran, der hellste Stern im Stier, und das Sternbild Cassiopeia ins heutige Periodensystem geschafft: Etwa zeitgleich fanden die Chemiker Carl Auer von Welsbach und Georges Urbain um 1908 die beiden Elemente Lutetium und Ytterbium. Urbain war wohl einige Tage früher dran, weshalb die Entdeckung und die Benennung heute meist ihm zugeschrieben wird. Von Welsbach hatte die Namen Cassiopeium (für Lutetium) und Aldebaranium (für Ytterbium) vorgeschlagen, die sich im deutschsprachigen Raum noch einige Jahre halten konnten. Spätestens seit den 1950ern sind diese Bezeichnungen allerdings in Vergessenheit geraten.
Während all diese Entdeckungen erstmal nichts mit Astronomie per se zu tun haben, gibt es tatsächlich ein Element, das mithilfe der damals neu entwickelten Astrospektroskopie erstmals aufgespürt wurde: Die Entdeckungsgeschichte des Heliums ist etwas kompliziert – sicher lässt sich allerdings sagen, dass im Jahr 1868 verschiedene Astronomen die Sonnenchromosphäre beobachteten und dabei eine neue Emissionslinie fanden, die völlig neu schien, sich also keinem bis dahin bekannten Element zuordnen ließ. Während üblicherweise Jules Janssen und Norman Lockyer als die Entdecker des Heliums genannt werden, geht die jüngste Forschung davon aus, dass diese Ehre doch eher Norman Robert Pogson gebühren sollte: Bei der Sonnenfinsternis am 18. August 1868 in Indien war ihm diese Linie als einzigem wirklich aufgefallen – allerdings wurde seine Publikation seinerzeit nicht ausreichend wahrgenommen. Erst 1895 wurde Helium auch auf der Erde nachgewiesen. Benannt ist es nach dem altgriechischen Wort für Sonne (helios).
Und was ist mit Neptun und Pluto? Erst Anfang der 1940er werden zwei Elemente erzeugt, die im Periodensystem direkt nach Uran kommen: Man nennt sie Neptunium und Plutonium. Unter den zahlreichen Persönlichkeiten aus Physik und Chemie, deren Namen sich im Periodensystem wiederfinden, gibt es übrigens nur einen Astronomen: 1996 wird erstmals Copernicium erzeugt – seit dem 19. Februar 2010, dem 537. Geburtstag des Astronomen, trägt es seinen Namen offiziell nach Nikolaus Kopernikus.
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